Gedichte von William Hermanns

                    Chartres

Wie sie doch meine Steine schleppten
Und die Sklavenhand mit ihrem Schweisse wuschen.
Sie stellten Säule auf Säule
und schichteten Gebeine darunter.

Wie doch die Seufzer und Atemstösse
Mein Gewölbe bemoosten.

Sie reichten Altäre an Altäre
und knieten vorm Moder und Staub der Reliquien.
Jetzt trittst du aus der Reihe der Jahrhunderte,
und zündest eine Kerze an,
Du denkst, dass ich es bin,
die du mit Aveaugen anschaust,
dass ich es bin, die da im hohen Fenster steht -
morgens mit Gold behangen,
mittags weiss gleissend,
und sanft im abendrot lang verlöschend.

Doch bin ich nicht die christliche Glorie
vom Händewerk der Menschen gechaffen.
Ich bin es nie gewesen.

Die Menischen haben vergessen, gern vergessen,
dass ich das Händewerk Gottes war -
eine jüdische Mutter.

                             William Hermanns            [G125]